Weser-Radweg: Deutschlands verstecktes Bikepacking-Paradies

Ein Radweg mit Bäumen an der Weser.

Während sich die meisten Radreisenden auf die überfüllten Routen entlang des Rheins oder der Donau stürzen, schlängelt sich einer der entspanntesten und abwechslungsreichsten Fernradwege Deutschlands fast unbemerkt durch drei Bundesländer: der Weser-Radweg. Diese 520 Kilometer lange Route von Hann. Münden bis nach Cuxhaven bietet nicht nur spektakuläre Flusslandschaften, sondern auch ideale Bedingungen für deine erste mehrtägige Bikepacking-Tour – oder um endlich mal wieder das pure Radreisen zu genießen, ohne ständig gegen Gegenwind zu kämpfen.

Warum der Weser-Radweg perfekt für Bikepacker ist

Der Weser-Radweg ist wie geschaffen für alle, die das Bikepacking entspannt angehen wollen. Das Gefälle ist minimal – gerade mal 100 Höhenmeter auf den gesamten 520 Kilometern. Das bedeutet: Du kannst dich voll auf die Landschaft konzentrieren, anstatt permanent in die Pedale zu treten. Diese sanfte Topografie macht die Route auch für weniger trainierte Fahrer zugänglich und erlaubt es, mit komfortablerer Ausrüstung zu reisen, ohne sich über jedes Gramm Gewicht Gedanken machen zu müssen.

Besonders clever: Die Route führt durch drei völlig unterschiedliche Regionen. Von Hann. Münden nach Höxter sind es 180 Kilometer durch das südhessische und südniedersächsische Bergland mit verwunschenen Märchenwäldern und mittelalterlichen Städten wie Hameln. Dann weitere 200 Kilometer bis Bremen durch das mittlere Wesertal, das mit weiten Flussauen und traditionellen Fachwerkorte überrascht, die aussehen, als wären sie einem Bilderbuch entsprungen. Die letzten 140 Kilometer durch das Weser-Tiefland bis zur Nordsee sind pure Entspannung zwischen endlosen Feldern und Windmühlen.

Was viele nicht wissen: Der Weser-Radweg ist außerdem deutlich weniger überlaufen als andere deutsche Fernradwege. Während du am Rhein-Radweg manchmal im Pulk fährst, hast du hier oft kilometerweit die Route für dich allein. Perfekt, um den Kopf freizubekommen und das Bikepacking in seiner ursprünglichsten Form zu erleben.

Die versteckten Highlights zwischen Hann. Münden und Cuxhaven

Jeder kennt Hameln – aber hast du schon mal von Höxter gehört? Diese kleine Stadt am Weser-Ufer beherbergt das UNESCO-Welterbe Kloster Corvey, ein karolingisches Westwerk aus dem 9. Jahrhundert. Der perfekte Ort für eine längere Pause, zumal sich hier auch hervorragend die Vorräte auffüllen lassen.

Ein echter Geheimtipp ist das Weserbergland zwischen Bad Karlshafen und Bodenwerder. Hier wechselt die Landschaft ständig: Mal fährst du durch enge Täler mit steilen Sandsteinfelsen, dann wieder durch weite Auen mit Blick auf sanfte Hügel. Dieser Streckenabschnitt ist auch ideal, um verschiedene Taschensetups zu testen – die abwechselnde Topografie zeigt schnell, ob deine Gewichtsverteilung stimmt.

Unterschätze nicht die norddeutsche Tiefebene ab Minden. Was erst langweilig wirkt, entpuppt sich als meditative Bikepacking-Erfahrung. Die endlosen Horizonte, das Spiel von Licht und Schatten über den Feldern, die charakteristischen Windmühlen – hier verstehst du, warum so viele Holländer aufs Radfahren schwören. Und die Infrastruktur ist top: In Petershagen, Nienburg, Verden und Achim findest du alle wichtigen Versorgungsmöglichkeiten.

Ein Radweg mit Bäumen an der Weser.

Ausrüstung speziell für den Weser-Radweg optimieren

Für den Weser-Radweg empfiehlt sich ein Trekking- oder Gravelbike mit stabilen 35-40mm breiten Reifen. Die Route ist größtenteils asphaltiert, führt aber gelegentlich über Schotterwege und kann nach Regen matschig werden. Ein robustes Tourenrad mit Gepäckträger ist ebenfalls eine ausgezeichnete Wahl, besonders für Bikepacking-Einsteiger.

Der flache Verlauf des Weser-Radwegs erlaubt es, mit mehr Komfort zu reisen als auf bergigen Routen. Du kannst ruhig etwas großzügiger packen – ein zusätzlicher Pullover oder die kleine Kamera machen hier den Unterschied.

Eine Besonderheit der Route: Sie führt oft direkt am Wasser entlang, was bedeutet, dass die Luftfeuchtigkeit höher ist und Tau häufiger auftritt. Pack deine Schlafsachen deshalb unbedingt wasserdicht ein. Eine hochwertige Satteltasche mit Rollverschluss ist hier Gold wert – morgens um sechs Uhr willst du nicht in einem feuchten Schlafsack aufwachen.

Der Wind kann entlang der Weser tückisch sein. Nicht stark, aber konstant, meist aus westlicher Richtung. Eine aerodynamische Lenkertasche reduziert den Luftwiderstand spürbar und macht das Fahren entspannter. Besonders in der norddeutschen Tiefebene wirst du den Unterschied merken. Pack eine winddichte Jacke ein – selbst bei sonnigem Wetter kann der stetige Fahrtwind kühl werden.

Da die Etappen flexibel planbar sind, empfiehlt sich ein modulares Taschensystem. Für kürzere Tagesetappen kannst du mit minimaler Ausstattung fahren, für längere Abschnitte oder bei schlechterem Wetter entsprechend aufrüsten. Rahmentaschen sind ideal für Snacks und Werkzeug – du wirst überrascht sein, wie oft du unterwegs kleine Anpassungen machst.

Fahrradwerkstätten findest du in allen größeren Städten entlang der Route: In Hann. Münden (Fahrrad Oppermann), Göttingen (mehrere Werkstätten), Hameln (Radstation am Bahnhof), Rinteln (Fahrrad Witte), Minden (Zweirad Centrum), Nienburg (Fahrradhaus Müller), Verden (Bike Store) und Bremen (zahlreiche Fahrradläden). Für Notfälle zwischen den Städten führe ein Basic-Reparaturset mit Flickzeug, Reifenhebern, Multitool und Ersatzschlauch mit.

Übernachtung und Verpflegung unterwegs

Die Infrastruktur entlang der Route ist ausgezeichnet, mit Übernachtungsmöglichkeiten in praktisch jeder größeren Ortschaft. Zu den empfehlenswerten Campingplätzen gehören:

Der Campingplatz Weserbergland in Bodenfelde (22€/Nacht mit Zelt), Campingplatz Sonnenwiese in Bodenwerder (18€/Nacht), Weser-Camping in Hameln (25€/Nacht), ideal für Stadtbesichtigungen, und der naturnahe Campingplatz am Weserstrand in Hoya (15€/Nacht). In der norddeutschen Tiefebene ist der Campingplatz Dörverden (20€/Nacht) besonders bikerfreundlich mit überdachten Zeltplätzen.

Für mehr Komfort bieten sich Pensionen und kleine Hotels an: Das Gasthaus zur Weserbrücke in Beverungen (60€ für Einzelzimmer), Hotel Deutsches Haus in Höxter (75€), oder das charmante Gasthaus Zur Burg in Polle (55€). Viele Gastgeber sind auf Radreisende eingestellt und bieten sichere Fahrradstellplätze sowie Trockenräume.

Supermärkte findest du in Göttingen, Uslar, Bodenfelde, Höxter, Hameln, Rinteln, Minden, Petershagen, Nienburg, Hoya, Bremen und Nordenham. Dazwischen sorgen kleinere Dorfläden, Bäckereien und Gasthöfe für die Grundversorgung. Besonders zu empfehlen sind die regionalen Hofläden, wo du frische Produkte direkt vom Erzeuger bekommst.

Wildes Campen ist theoretisch möglich, aber meist unnötig – die offiziellen Plätze sind günstig und bieten den Komfort von Duschen und Waschmöglichkeiten. Bei Notübernachtungen helfen oft Feuerwehrhäuser oder Gemeindezentren weiter – ein freundliches Nachfragen beim Bürgermeister wirkt Wunder.

Timing und Planung: Wann der Weser-Radweg am schönsten ist

Die beste Zeit für den Weser-Radweg sind überraschenderweise nicht die Sommermonate. Mai und September bieten die perfekte Kombination aus angenehmen Temperaturen, weniger Touristen und optimalen Lichtverhältnissen für Fotos. Im Mai blüht außerdem der Raps entlang der Route – ein gelbes Meer, das jeden Instagram-Feed zum Glühen bringt.

Ein Insider-Tipp: Fahr die Tour von Süd nach Nord. Der leichte Rückenwind in Fahrtrichtung und das Gefälle zur Küste hin machen die Route noch entspannter. Außerdem endet deine Tour mit dem grandiosen Erlebnis der Nordsee – ein perfekter Abschluss für jedes Bikepacking-Abenteuer.

Hier ein detaillierter 7-Tage-Vorschlag für entspanntes Reisen:

Tag 1: Hann. Münden nach Göttingen (25 km) – Einfahren und letzte Besorgungen in der Universitätsstadt. Übernachtung im Hotel oder auf dem Campingplatz Göttingen Nord.

Tag 2: Göttingen nach Höxter (80 km) – Längste Etappe durch das schöne Weserbergland. Übernachtung auf dem Campingplatz Höxter oder im Hotel Deutsches Haus.

Tag 3: Höxter nach Hameln (75 km) – UNESCO-Welterbe Corvey besichtigen, dann weiter zur Rattenfängerstadt. Übernachtung auf dem Weser-Camping oder in der Innenstadt.

Tag 4: Hameln nach Minden (70 km) – Entspannte Etappe durch das mittlere Wesertal. Übernachtung im Pension Windmühle oder auf dem Campingplatz am Mittellandkanal.

Tag 5: Minden nach Nienburg (85 km) – Durch die beginnende Tiefebene mit ersten Windmühlen. Übernachtung im Gasthof Zur Post oder Campingplatz Nienburg.

Tag 6: Nienburg nach Bremen (90 km) – Längere Etappe in die Hansestadt. Übernachtung in der vielfältigen Bremer Hotellandschaft oder auf dem Campingplatz Bremen.

Tag 7: Bremen nach Cuxhaven (95 km) – Finale Etappe zur Nordsee mit triumphaler Ankunft am Meer.

Ambitionierte Bikepacker schaffen die Strecke auch in 4-5 Tagen, aber dann verpasst du die vielen kleinen Entdeckungen am Wegesrand.

Die Route ist durchgehend mit dem Weser-Radweg-Logo beschildert – blaues Schild mit stilisierter Weser. Die Beschilderung ist größtenteils gut, kann aber in Städten verwirrend werden. Empfehlenswerte Offline-Karten sind die Kompass-App mit heruntergeladenen Karten oder die bikeline-Karte „Weser-Radweg“ als gedruckte Backup-Version.

Für Notfälle notiere dir diese Nummern: Allgemeiner Notruf 112, Pannenhilfe ADFC-Hotline 0421-34 62 90, und die örtlichen Polizeistationen in Göttingen (0551-491-2115), Hameln (05151-933-222) und Minden (0571-8866-0). In abgelegenen Abschnitten zwischen Bodenfelde und Höxter sowie zwischen Hoya und Bremen kann der Handyempfang schwach werden – informiere vorher jemanden über deine Route.

Bahnverbindungen zurück zum Startpunkt sind ausgezeichnet: Von Cuxhaven fährst du mit der Regionalbahn nach Hamburg, von dort mit ICE zurück nach Göttingen (Gesamtdauer ca. 4 Stunden). Fahrradmitnahme kostet zusätzlich 9€ und sollte reserviert werden. Alternativ kannst du einzelne Etappen überspringen: Bremen, Minden und Hameln haben alle gute IC-Verbindungen.

Kosten und Budget

Die Gesamtkosten für eine 7-tägige Weser-Radweg-Tour variieren je nach Komfortlevel erheblich:

Budget-Version (circa 280€): Übernachtung auf Campingplätzen (20€/Nacht), Selbstversorgung mit Einkäufen in Supermärkten (15€/Tag für Essen), gelegentlich ein Essen im Gasthaus (25€). Dazu Bahnfahrt zurück (ca. 60€ mit Fahrrad).

Mittelklasse-Version (circa 480€): Mix aus Camping und günstigen Pensionen (40€/Nacht im Durchschnitt), teilweise Restaurantbesuche (30€/Tag für Verpflegung), mehr Flexibilität bei der Routengestaltung.

Premium-Version (circa 750€): Übernachtung in guten Hotels und Gasthöfen (80€/Nacht), Abendessen in regionalen Restaurants (45€/Tag), Gepäcktransport-Service zwischen Unterkünften (falls gewünscht, ca. 150€ zusätzlich).

Zusätzliche Kosten einplanen: Eintritte in Sehenswürdigkeiten wie Kloster Corvey (8€) oder das Rattenfänger-Museum in Hameln (6€), eventuelle Reparaturen (50€ Puffer), und ein paar Euro für spontane Entdeckungen unterwegs.

Warum der Weser-Radweg unterschätzt wird (und du davon profitierst)

Der Weser-Radweg leidet unter einem Imageproblem: Er gilt als „langweilig“ im Vergleich zu alpinen Routen oder dramatischen Küstenwegen. Das ist ein Fehler. Gerade die Ruhe und Beständigkeit der Route machen ihren Reiz aus. Hier geht es nicht um Adrenalinstöße oder Instagram-taugliche Panoramen, sondern um das pure Erlebnis des Radreisens.

Diese Unterschätzung hat einen großen Vorteil: authentische Begegnungen. Die Menschen entlang der Weser sind nicht vom Massentourismus genervt, sondern freuen sich über Radreisende. Ein kurzes Gespräch mit einem Landwirt, ein spontaner Kaffee in einem Dorfcafé – solche Momente machst du am Rhein-Radweg seltener.

Außerdem ist der Weser-Radweg ideal für Bikepacking-Einsteiger oder für alle, die eine entspannte Tour nach stressigen Zeiten suchen. Die Route verzeiht Planungsfehler, die Infrastruktur ist zuverlässig, und du kommst auch mit weniger perfekter Ausrüstung gut durch. Perfekt, um herauszufinden, was du wirklich brauchst, bevor du dich an anspruchsvollere Abenteuer wagst.

Der Weser-Radweg beweist, dass Bikepacking nicht immer extrem sein muss, um erfüllend zu sein. Manchmal liegt die größte Abenteuer in der Entschleunigung – und in der Erkenntnis, dass Deutschland wunderschöne, unterschätzte Ecken hat, die nur darauf warten, per Fahrrad entdeckt zu werden.

Von Matthias Hensel

Matthias Hensel Gründer Bikepacking

Matthias ist der Gründer vom Bike-Packing Shop. Aus Leidenschaft für Radreisen und minimalistisches Reisen hat er den Shop gegründet, um Radfahrern die beste Auswahl an Bikepacking- und Fahrradzubehör zu bieten. Mit viel Erfahrung auf Tour achtet er darauf, nur durchdachte, zuverlässige und praxiserprobte Produkte ins Sortiment aufzunehmen.