Brevet – Langstrecke ohne Schnickschnack

Brevet Radsport© Apidura

Was ist ein Brevet eigentlich?

Der Wecker klingelt mitten in der Nacht. Draußen ist es still, nur das leise Klacken der Kaffeetasse durchbricht die Ruhe. Kurz vor dem Start hängt noch ein bisschen Müdigkeit in den Beinen, aber der Gedanke an den Tag oder besser gesagt: an die vielen Stunden, die vor dir liegen, macht wach.

Ein Brevet ist kein Rennen. Es gibt keine Siegerehrung und keine Zuschauer am Straßenrand. Nur dich, dein Rad, eine Strecke und ein Zeitlimit. Und genau das macht den Reiz aus. Wer einmal stunden- oder tagelang unterwegs war, weiß: Es geht nicht um Geschwindigkeit, sondern darum, in einem Stück anzukommen und unterwegs all das mitzunehmen, was passiert.

Kurz gesagt: Es ist eine Langstreckenfahrt mit festgelegter Strecke und Zeitlimit, aber ohne Wettkampfcharakter. Der Begriff stammt aus Frankreich, wo die Tradition des Randonneuring seit über 100 Jahren gepflegt wird. Die Distanzen sind genormt: 200, 300, 400, 600 oder sogar 1.000 Kilometer. Die Uhr läuft ab dem Start und wer innerhalb der vorgegebenen Zeit im Ziel ankommt, hat bestanden – egal ob als Erster oder Letzter. Gefahren wird meist auf öffentlichen Straßen, ohne Absperrungen und die Teilnehmer sind komplett auf sich gestellt. Verpflegung, Reparaturen, Wetter: Alles musst du selbst organisieren. Unterwegs gibt es Kontrollpunkte, die per Stempel, Quittung oder manchmal auch per Selfie nachgewiesen werden.

Das klingt nach purer Härte, ist aber vor allem eins: eine Mischung aus Abenteuer, Ausdauer und Selbstorganisation. Deswegen zieht es viele an, die schon beim Bikepacking gemerkt haben, wie befreiend es ist, sich nur mit dem Nötigsten auf den Weg zu machen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Was es ist: Langstreckenfahrt (200–1000 km) mit Zeitlimit, ohne Wettkampf, komplett selbstversorgt, Nachweis über Kontrollpunkte
  • Die Philosophie: Ankommen statt Rennen, Ausdauer + mentale Stärke
  • Welches Rad: Komfort ist wichtiger als Speed. Aufrechte Position, zuverlässige Schaltung, Nabendynamo-Licht, breite Reifen (28–35 mm), Gepäckoptionen
  • Was du mitnehmen solltest: Licht & Reflektoren, Werkzeug & Ersatzteile, Snacks & Wasser, Kleidung im Zwiebelsystem, GPS/Backup-Karte, kleine Taschen

Die Philosophie hinter dem Rennen ohne Rennen

Wer noch nie einen Brevet gefahren ist, fragt oft: „Warum macht man das?“ Und wer schon mal einen gefahren ist, lächelt meist nur. Denn das lässt sich schwer in Zahlen und Fakten erklären. Diese Tour ist in erster Linie ein Versprechen an dich selbst: anzukommen, egal wie. Es ist die Mischung aus körperlicher Ausdauer, mentaler Stärke und der Fähigkeit, unterwegs Lösungen zu finden – sei es bei einem Platten im strömenden Regen oder wenn das Navi nachts mitten im Wald den Geist aufgibt.

Es geht nicht darum, schneller als andere zu sein. Du bist dein eigener Maßstab. Das Brevet-Zeitlimit ist nur der Rahmen, der dich zwingt, effizient zu sein, aber innerhalb dieses Rahmens kannst du fahren, wie du willst. Manche legen Pausen an Bäckereien ein, andere rollen nachts durch und sehen den Sonnenaufgang vom Sattel aus. Und dazwischen liegt dieses schwer zu beschreibende Gefühl: Du bist alleine unterwegs und weißt trotzdem, dass du Teil einer kleinen, verschworenen Gemeinschaft bist. Wer schon mal bei einem Kontrollpunkt einen anderen Fahrer getroffen hat, kennt es: ein kurzer Blick, ein paar Worte und die Feststellung – „Wir teilen hier gerade etwas Besonderes“.


Brevets gibt es auch vor deiner Haustür

Du musst nicht quer durchs Land reisen, um dein erstes Brevet zu fahren. In Deutschland gibt es eine aktive Szene und viele Städte haben ihre eigenen Veranstaltungen, oft mit ganz unterschiedlichem Charakter.

  • Brevet Berlin: Flach, schnell, aber windanfällig. Die Strecken führen oft durch endlose Alleen, vorbei an Feldern und Seen – ideal, um Tempo zu halten, solange der Wind mitspielt.
  • Brevet München: Hier warten nicht nur ein paar Höhenmeter, sondern oft auch Panorama satt. Voralpen, Seenrunden und gelegentlich ein Abstecher ins alpine Gelände – perfekt für alle, die Steigungen mögen.
  • Brevet Köln: Rhein, Eifel, Bergisches Land – hier geht es meist wellig zu. Kurze Anstiege, schnelle Abfahrten und viel Abwechslung in der Landschaft.

Und das sind nur drei Beispiele. Ob Hamburg, Frankfurt, Dresden oder Freiburg – fast jede Region hat ihre eigene Version. Das Schöne daran: Jede Strecke hat ihren individuellen Charakter, geprägt von Landschaft, Wetter und der Handschrift des Organisators. Wenn du wissen willst, was bei dir in der Nähe angeboten wird, lohnt sich ein Blick in den Brevet-Kalender der Audax Randonneure Deutschland. Dort findest du alle Termine und Startorte und kannst dir die Strecke aussuchen, die dich am meisten reizt.


Das richtige Bike fürs Brevet – Rennrad? Oder doch lieber Gravel?

Die gute Nachricht: Du brauchst kein spezielles „Brevet-Fahrrad“, um teilzunehmen. Die meisten fahren einfach das Rad, mit dem sie auch sonst lange Touren oder Bikepacking-Trips machen. Trotzdem gibt es ein paar Eigenschaften, die ein Rad für eine solche Tour besonders angenehm machen:

  • Komfort vor Aerodynamik: Auf 200, 400 oder gar 600 Kilometern zählt weniger der letzte Wattvorteil als eine entspannte Sitzposition. Ein leicht aufrechter Lenkerwinkel entlastet Rücken, Schultern und Nacken und spart dir am Ende Schmerzen.
  • Zuverlässige Schaltung: Die Touren werden bei jedem Wetter gefahren. Eine robuste, präzise funktionierende Schaltung (mechanisch oder elektronisch) ist Gold wert. Lieber ein Gang zu viel am Berg als einer zu wenig.
  • Lichtanlage: Viele Brevets führen durch die Nacht. Nabendynamo + gute LED-Frontleuchte = stressfreies Fahren, ohne sich Gedanken um leere Akkus machen zu müssen.
  • Breitere Reifen: 28 bis 35 mm Breite Reifen mit moderatem Profil bieten Komfort, Grip und Pannensicherheit. Je nach Strecke sind auch Gravelreifen eine gute Wahl.
  • Befestigungsmöglichkeiten: Platz für Flaschenhalter, Rahmentaschen oder ein kleines Gepäcksetup macht dich unabhängiger von Tankstellen und Supermärkten.

Am Ende gilt: Das beste Bike ist das, auf dem du dich wohlfühlst und das du im Schlaf reparieren kannst. Denn egal, ob Carbon-Renner, Stahlrahmen oder Gravelbike – was zählt, ist, dass es dich zuverlässig ins Ziel bringt.


Die passende Ausrüstung fürs Brevet

Es ist ein bisschen wie eine mehrtägige Radtour im Zeitraffer – du musst alles dabeihaben, was dich sicher und komfortabel ins Ziel bringt, ohne dein Rad unnötig zu beladen. Hier sind die Essentials:

  • Licht und Sichtbarkeit
    Nabendynamo oder hochwertige Akkulampen für vorne und hinten sind Pflicht. Zusätzlich Reflektoren oder reflektierende Kleidung, denn Nachtfahren ist bei vielen Touren unvermeidlich und Sichtbarkeit ist Sicherheit.
  • Werkzeug & Ersatzteile
    Multitool, Ersatzschlauch, Flickzeug, Reifenheber und Minipumpe sind Standard. Ein Kettenschloss oder ein kleines Kettenglied kann den Tag retten, falls die Kette reißt.
  • Verpflegung
    Du wirst nicht alle paar Kilometer eine Bäckerei finden. Packe Snacks ein, die sich leicht essen lassen (Riegel, Gels, Nüsse). Trinkflaschen immer gefüllt halten, Tankstellen sind dafür deine besten Freunde.
  • Kleidung im Zwiebelsystem
    Atmungsaktive Basisschicht, winddichte Jacke, ggf. Regenbekleidung. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht können enorm sein, besonders im Frühjahr oder Herbst.
  • Navigation
    GPS-Gerät oder Smartphone mit Halterung und offline gespeicherter Route. Papierkarte als Backup schadet nicht, wenn die Technik mal ausfällt.
  • Taschen
    Rahmentasche für Werkzeug, Oberrohrtasche für Snacks, kleine Satteltasche für Kleidungsschichten. Weniger ist mehr – jedes Kilo zählt nach 300 Kilometern.

Ein guter Grundsatz: Packe so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Alles, was du unterwegs nicht brauchst, schleppst du unnötig mit. Und glaub uns, das merkst du spätestens in der dritten Nachtstunde am Berg.

Apidura Racing Top Tube Pack Oberrohrtasche

Apidura Racing Top Tube Pack Oberrohrtasche

Preis: 61,00 €

Zum Angebot

Apidura Racing Frame Pack Rahmentasche

Apidura Racing Frame Pack Rahmentasche

Preis: 111,00 €

Zum Angebot

Apidura Racing Saddle Pack Satteltasche

Apidura Racing Saddle Pack Satteltasche

Preis: 163,00 €

Zum Angebot


Noch ein paar harte Fakten, Regeln und Abläufe

Ein Brevet klingt erst mal einfach nach langem Radfahren, aber es gibt ein klares Regelwerk und einen festen Ablauf, der sich weltweit an den Vorgaben des Audax Club Parisien (ACP) orientiert – dem Verband, der seit über 100 Jahren das Randonneuring prägt.

  • Distanzen & Zeitlimits
    • 200 km → 13,5 Stunden
    • 300 km → 20 Stunden
    • 400 km → 27 Stunden
    • 600 km → 40 Stunden
    • 1.000 km → 75 Stunden
      Diese Limits sind großzügig genug, um in einem moderaten Tempo zu fahren, aber knapp genug, dass Pausen und Pannen eingeplant werden müssen. Wer zu viel trödelt, verpasst das Zeitfenster.
  • Start & Brevetkarte
    Am Start bekommst du deine Brevetkarte, dein offizielles „Beweisheft“. Darin wird an jedem Kontrollpunkt vermerkt, dass du dort warst. Erst wenn alle Einträge stimmen, wird dein Brevet vom Veranstalter ans ACP gemeldet und „homologiert“, also offiziell anerkannt.
  • Kontrollpunkte
    Alle 50 bis 80 Kilometer wartet ein Kontrollpunkt. Das kann eine Tankstelle, ein Café oder sogar nur ein Straßenschild sein. Nachweis: Stempel, Quittung oder Selfie. Diese Punkte stellen sicher, dass du die vorgegebene Strecke fährst und nicht abkürzt.
  • Selbstversorgung
    Brevets sind bewusst ohne Versorgungsstationen organisiert. Essen, Trinken, Reparaturen – alles liegt in deiner Verantwortung. Das ist Teil der Philosophie: eigenständig planen, Probleme selbst lösen, nicht auf Hilfe von außen setzen.
  • Verkehrsregeln
    Gefahren wird im öffentlichen Straßenverkehr. Du bist normaler Verkehrsteilnehmer und musst dich an alle Regeln halten. Verstöße können zum Ausschluss führen, nicht nur wegen der Sicherheit, sondern auch, weil der ACP Wert auf vorbildliches Verhalten legt.

Kein Rennen
Es gibt keine Platzierungen, keine Podien und auch keinen Applaus im Ziel. Ein Brevet ist eine persönliche Herausforderung – Ziel ist es, innerhalb des Zeitlimits anzukommen. Alles andere ist Nebensache.

Von Matthias Hensel

Matthias Hensel Gründer Bikepacking

Matthias ist der Gründer vom Bike-Packing Shop. Aus Leidenschaft für Radreisen und minimalistisches Reisen hat er den Shop gegründet, um Radfahrern die beste Auswahl an Bikepacking- und Fahrradzubehör zu bieten. Mit viel Erfahrung auf Tour achtet er darauf, nur durchdachte, zuverlässige und praxiserprobte Produkte ins Sortiment aufzunehmen.